Zeitschrift: Der Naturist, Ausgabe Juni Nr. 3/2005

Ein Gelände stellt sich vor

Bund für freie Lebensgestaltung Stuttgart e. V.

So richtig weiss man ja jetzt nicht, womit man anfangen soll: Birkmannsweiler, Degerloch, Simonsberg? Eigentlich müsste es diesmal heissen: Drei Gelände stellen sich vor, der BffL Stuttgart hat nämlich nicht nur ein, sondern gleich drei Gelände.

Und das hat eine Geschichte:

Erste Informationen finden sich 1926. Ein „Licht- und Luftbadeverein Stuttgart-Winnenden und Umgebung" entstand. Dieser - niemals registrierte - Verein trug den Zusatz „Vereinigung zur Gesunderhaltung des persönlichen Lebens“.

Eine Wiese wurde gepachtet, „Sonnenland - Luft- und Sonnenbad" stand über dem Tor. Eine Idylle jedoch konnte es nicht geben, dafür war die Zeit noch nicht reif genug, dazu gab es zu viele Widerstände in der Bevölkerung. Dicke Akten sind aufzufinden, die das Hin und Her zwischen Gemeinde, Oberamt, Innenministerium Stuttgart, Kirchengemeinde, Dekanat und Oberkirchenamt dokumentieren.

Gegen einzelne Besucher wurden Ordnungsstrafen verhängt, besondere Zielscheibe war Eugen Sannwald, der Vereinsgründer. Sannwald war eine unbeugsame Kämpfernatur. Dem Rat eines DFK-Vorläufers, der „Liga für freie Lebensgestaltung", das Gelände aufzugeben, wollte er auf keinen Fall folgen. Auch eine Neugründung näher an Stuttgart heran - und damit die Suche nach einem neuen Gelände - kam für ihn nicht in Frage, war er doch in Winnenden beheimatet. Die Liga riet den Mitgliedern, sich von Sannwald zu trennen. In einer Kampfabstimmung obsiegten die Anhänger Sannwalds, es kam zum Bruch mit der Liga. Der Verein schloss sich dem „Reichsverband für Freikörperkultur e.V." in Berlin an und nannte sich „Freikörperkulturverband Sonnland Stuttgart/Winnenden und Umgebung".

Eugen Sannwald war - wie ihn Oscar Heiler, der bekannte schwäbische Humorist und Schauspielergenannt hat -, ein Feuerkopf. Nichts lag ihm ferner als Taktieren und Ausgleichen. In seiner Überzeugung, das Richtige zu tun, geriet er in zahlreiche Schwierigkeiten. Im April 1933 bereits setzte ihn das Nazi-Regime in „Schutzhaft“ im Konzentrationslager Heuberg. Nach seiner Entlassung im Dezember verfügte die Gestapo, dass sich Sannwald und seine Frau vom Verein zu trennen hätten und keinerlei Betätigung für den Verein mehr ausführen dürften. Dieses Verbot wurde 1937 nochmals bekräftigt. Gegen Kriegsende noch zu einer Sondereinheit eingezogen kam er in Ungarn zum Kampfeinsatz. Seither gibt es keine Spuren mehr von ihm, Eugen Sannwald kehrte nie zurück.

Dennoch, 1930 konnte ein neues Gelände erworben werden, das Gelände Birkmannsweiler. Nicht ganz ohne Probleme wurde der Kauf beurkundet. In letzter Minute wollte der Ortsvorsteher noch eine Verpflichtung verankert sehen, dass dort niemals Nacktbaden erfolgen würde. Man hatte - trotz des Auftretens zweier Strohmänner als Käufer - wohl etwas geahnt. Ein auswärtiger Notar beurkundete dann den Kauf, und die Sache war unter Dach und Fach.

Beim Aufbau des Geländes gab es dann wieder Schwierigkeiten, diesmal war nicht nur die Gefährdung der Jugend Anlass zum Einschreiten durch die Landjägercorps sondern auch noch die Störung der Sonntagsruhe. Wann aber hätte man das Gelände sonst aufbauen sollen?

Von 1930 blieb Zeit bis zum März 1933, dann wurde das Gelände geschlossen. Nicht nur die Nacktkultur war den Behörden ein Dorn im Auge, auch die Ansiedlung des Vereins im „Reichsverband für Freikörperkultur", der ja eine sozialistische Ausprägung hatte.

1934 durfte Birkmannsweiler wieder betreten werden - allerdings nur in Badebekleidung. Der Sonnlandbund war im Zuge der„Gleichschaltung“ in den „Bund für Deutsche Leibeszucht e. V.“ eingegliedert worden. Erst mit Ende des II. Weltkrieges kehrten wieder normalere Verhältnisse ein. Noch während der Bombennächte Ende 1944 / Anfang 1945 kamen etliche Vereinsmitglieder hierher, um wenigstens einmal eine Nacht dem Sirenengeheul zu entkommen und schlafen zu können.

Anfang 1946 wurde in Fellbach bei Stuttgart mit Lizenz der Militärregierung die „Liga für freie Lebensgestaltung Stuttgart e.V.“ gegründet. Nur unter großen Schwierigkeiten gelang es, das Gelände und das Vereinsvermögen wieder zugesprochen zu erhalten. 1950 trat die „LffL Stuttgart“ dem DFK bei, die Mitgliederzahlen stiegen. 1961 waren es über 1.000 Personen. Sportliche Aktivitäten nahmen mehr und mehr zu, ab Mitte der 50er bildeten sich Wettkampfmannschaften, erst im Volleyball und Tisdn_6chtennis, später auch im Ringtennis.

Heute wird das Gelände, das rund 35 km von Stuttgart entfernt liegt und 1,5 ha groß ist, als Tagesgelände genutzt. Ebenso wie im Gelände Degerloch gibt es hier eine Gästeküche, auch ist Grillen möglich; Speisen und Getränke sollten sich die - herzlich willkommenen - Gäste jedoch selbst mitbringen.

Saison ist hier von April bis Oktober. Dieses herrliche FKK-Gelände liegt sehr idyllisch und verschwiegen. Hier gibt's auch an heißen Tagen ein schattiges Plätzle. Aufenthaltsräume und Küche liegen im Blockhaus. Sportmöglichkeiten: Volleyball, Pétanque, Ringtennis und Tischtennis. Für die Kleinen einen Kinderspielplatz und zum Ausruhen die Liegewiesen. Im Sanitärgebäude gibt's ausreichend WCs, Waschbecken und Duschen.

Die wachsende Mitgliederzahl des BffL verlangte natürlich Platz. Und so wurde ein weiteres Gelände gesucht und schliesslich auch gefunden: Das Gelände Simonsberg, das 1961 langfristig gepachtet werden konnte. Mit 11 ha ist das Gelände das grösste im Reigen der BffL-Gelände. Ein ehmaliger Bauernhof, der sich nicht mehr trug und von den Bauersleuten aufgegeben werden sollte. Die Besitzer - das Ehepaar Kober – war der FKK-Idee gegenüber erstaunlich aufgeschlossen. Und so konnte die mühselige Arbeit beginnen, aus völlig zerfahrenen Wegen eine Zufahrt zu gestalten, aus Kuhweiden und Erdbeerfeldern Sportplätze, ein Schwimmbad, Sanitäranlagen und Zeltplätze anzulegen. An Wohnwagen konnte damals noch keiner denken. Pfingsten 1961 weihte der Vorsitzende Kurt Lörcher den Simonsberg ein. An dieser Stelle ist ein Wort zur Organisation den BffL zu sagen. 1959 wurde die Vereinsführung umgestaltet, zum Amt des 1. Vorsitzenden kam das Amt des „geschäftsführenden Vorstandes" hinzu, eine Aufteilung, die bis 1977 Bestand hatte. Die Inhaber dieser Positionen waren der bekannte Kabarettist Oscar Heiler und der bis heute unermüdliche Kurt Lörcher, der auch Begründer und langjähriger Vorsitzender des Landesverbandes Südwest war. Immer wieder erweist sich Kurt Lörcher als ein schier unerschöpflicher Quell von Informationen, wenn man etwas über den Naturismus in Baden-Württemberg wissen möchte.

Wenn auch 1961 noch keiner an einen längeren Aufenthalt auf dem Simonsberg dachte, so ist die Zeit halt weitergegangen. Heute gibt es moderne Sportanlagen zur Ausübung von Volleyball, Faustball, Ringtennis, Tischtennis, Petanque, Gymnastik. Weiter gibt es Streetball, Wassergymnastik, Wandern und Laufen; auch Schach wird gespielt. Geschwommen wird im Freibad (10 x 20 m). Ein Kinderplanschbecken und ein Spielplatz vervollständigen das Angebot. Für die Jugend wurde ein Jugendraum errichtet.

Für die Kleinen gibt es jährlich einige Höhepunkte; dazu zählen die Nikolausfeier, das Kürbisgeisterfest, Ostereier suchen und ein Sommerfest mit viel Spaß und Freude. 200 Stellplätze für Wohnwagen bieten die Möglichkeit, länger auf dem Simonsberg zu bleiben. Zwei Sanitärgebäude stehen bereit, die Sauna bringt den Kreislauf in Schwung und beugt Erkältungskrankheiten vor. Kaltduschen befinden sich überall auf dem Gelände. Das leibliche Wohl kann in der Vereinsgaststätte gepflegt werden. 25 Gäste-Stellplätze - auch für Wohnmobile - werden vorgehalten, Gastlichkeit bedeutet dem BffL viel.

Aber auch die Umgebung bietet einiges für das körperliche Wohlergehen: Abseits vom Trubel kann man auf einsamen Wanderwegen seine Fitness erhöhen, die Natur geniessen und Ruhe für die Seele finden. So schön das Gelände ist, dennoch suchte der Verein eine Bleibe, die stadtnah war. Gefunden wurde dann 1968 ein Gelände in StuttgartDegerloch. Dieses - gepachtete - Tagesgelände ist die Saison über von April bis Oktober für Sport, Spiel und Freizeit geöffnet: Volleyball, Ringtennis, Tischtennis und Petanque, Gartenschach und sogar Skatturniere werden angeboten. Ausgedehnte Liegewiesen (als Kleinod ein Seerosenteich) laden zum Entspannen und Erholen ein. Kinder sind auf dem Spielplatz gut aufgehoben.

Auch in Degerloch freut man sich auf Gäste. In der Gästeküche steht eine Mikrowelle bereit, Getränke sind hier erhältlich. Es gibt genügend sanitäre Einrichtungen, ein erfrischendes Tauchbecken und Duschen auf dem Gelände.

Der BffL Stuttgart ist seit jeher ein sportorientierter Verein, als Mitglied des Württembergischen Landessportbundes beteiligte er sich am Sportbetrieb des Dachverbandes, ausserdem beim Deutschen Pétanqueverband, wobei der Breitensport im Vordergrund steht. Der BffL ist einer der drei Gründungsvereine des Württembergischen Volleyballverbandes! Ganzjährig ist der Trainingsbetrieb in Stuttgarter Sporthallen möglich.

Viele Turniere werden hier veranstaltet: Volleyballturnier, Kugelfuhrturnier, Petanque- und Tischtennisturniere. Wettbewerbe finden auch im Schwimmen statt. Über die Gastfreundschaft des BffL wurde schon gesprochen, hier auf dem Simonsberg lässt es sich eine Weile aushalten.

Zur Besichtigung empfehlen sich die Winzergenossenschaften in der näheren Umgegend, das Automuseum Langenburg, Sinsheim mit dem Technikmuseum und andere Museen wie das Freilandmuseum in Wackershofen oder auch den Freizeitpark Tripstrill. Von Degerloch und Birkmannsweiler (keine Wohnwagen möglich) kann man die kulturellen Angebote der Region Stuttgart nutzen; empfohlen sind auch die Museen von Porsche und Daimler.